Lebensmittelabfallvermeidung durch die Umstellung der Essensversorgung in Krankenhäusern und Pflegeheimen von Menü-System auf Gängewahl

Fördernehmer: tatwort Nachhaltige Projekte GmbH
Projektlaufzeit: 01.07.2022 bis 31.01.2024
Projektart: Großprojekt

Das Monitoring von United Against Waste (UAW) zeigt im Gesundheitsbereich (Krankenhäuser, Pflegeheime…) ein hohes Einsparpotenzial beim Lebensmittelabfall). Schon 2020/21 hat UAW die Essensbestellprozesse untersucht: Aus diätologischen und organisatorischen Motiven erhalten Patient:innen fast ausschließlich ganze Menüs und damit möglichweise unabhängig von Bedarf & Wunsch viele Komponenten wie Suppe, Salat oder Dessert.

Ein guter Lösungsansatz wäre nach mehrheitlicher Ansicht des im Vorprojekt befragten Krankenhaus-Personals der Umstieg vom Menü-System auf eine reine Gängewahl. Widerstand dagegen gab es nur von Diätolog:innen aus Sorge um die Ausgewogenheit in der Ernährung. Hinterfragt wurde auch, ob der Systemumstieg mit den vorhandenen Personalressourcen umsetzbar ist.

In diesem Projekt testete UAW daher nun gemeinsam mit drei Krankenhäusern den Umstieg von einem Menü-System auf eine Gängewahl in der Praxis. Dazu wurde zunächst eine Nullmessung im Menü-System mit genauer Dokumentation der servierten Essensmengen und der entsorgten Abfälle durchgeführt. Anschließend wurde für 2-3 Wochen eine Gängewahl (= Pilotmessung) mit neuen Essensplänen umgesetzt und ebenso genau beobachtet. Essensmengen, Abfälle und deren Zusammensetzung konnten so präzise verglichen werden. Zusätzlich erfolgte eine Nachbefragung der Küchenzuständigen, eine Online-Befragung des Pflegepersonals zur organisatorischen Umsetzbarkeit, Feedback-Präsentationen sowie ein Termin mit Diätolog:innen.

Die überraschenden Ergebnisse zeigten, dass unabhängig von einer Menü- oder Gängewahl massive Tagesschwankungen, sowie synchron verlaufende Verlustgrade (= Verhältnis von ausgegebenen Essen zu Lebensmittelabfall) zwischen Menü- und Gängewahlsystem in den Erhebungszeiträumen bestehen. Nach detaillierten Zusatzanalysen auf Basis dieser Erkenntnis zeigte sich eine starke Korrelation der Tagesschwankungen mit dem Essensangebot und der Essenqualität. Weitere Gründe, die den Lebensmittelabfall beeinflussen, sind Abwesenheiten von Patient:innen, z.B. durch Operationen (ohne Essensabbestellung!). Diese Aspekte haben mehr Einfluss auf die Lebensmittelabfallmenge, als die Option einer freien Gängewahl. Darüber hinaus wurden starke ungeplante Schwankungen bei der Portionsgrößen durch Ungenauigkeiten beim Portionieren entdeckt.
Lebensmittelabfälle entstehen also oftmals im Zusammenspiel mehrerer Faktoren und können auch von Standort zu Standort variieren. Deshalb  ist eine individuelle, schrittweise Analyse der eigenen Prozesse notwendig:

  • Starker Zusammenhang zwischen Lebensmittelabfall und Tagesessensangebot: Rücklauf punktuell beobachten und ggf. Essensangebot anpassen und/oder Komponenten streichen oder verbessern.
  • Abstimmung und Kommunikation der Erkenntnisse mit Diätologie, um ggf. Essensangebot anzupassen
  • Essensqualität überprüfen: Rechtzeitig kosten und testen in der Küche, regelmäßige Durchführung von Teamverkostungen,
  • Speisenangebote an die Gegebenheiten in Küche, Stationen und ggf. an Außenstandorte anpassen (z.B. lange Wege von Küche zu Stationen/Betten oder System – Cook & Chill oder Frischküche – mitbedenken); systemische Qualitätsverluste z.B. bei marinierten Salaten, Fisch etc. vermeiden.
  • Essen bei Abwesenheiten abbestellen und/oder Patient:innen im System auf „nüchtern“ setzen.
  • Beim Tablettieren wiederholte Stichprobenkontrollen durch Messen und Verwiegen von Suppen, Salaten, Beilagen usw. in regelmäßigen Abständen durch Köche/Küchenleitung
  • Ausreichend Portionierwerkzeug im Küchenbestand, das beschriftet (Kellenplan) vorbereitet ist.
  • Wiederholte Einweisung des Ausgabepersonals für Portionierung
  • Musterteller am Band darstellen: Von jedem Gericht einen Musterteller fotografieren und während dem Tablettieren auf Bildschirm im Ausgabebereich anzeigen

Die drei Pilotstandorte identifizierten durch die eigenen Erhebungen bereits frühzeitig einige dieser Stellschrauben und setzen bereits erste Maßnahmen (z.B. Anpassung der Salatteller-Größe oder eine eingehendere Analyse unberührter Teller). Auch die durch den MONEYTOR ermittelten Verlustgrade haben sich an den Pilotstandorten positiv entwickelt: Von 2022 auf das erste Halbjahr 2023 verbesserten sich die Standorte um durchschnittlich 11,4 %.

In Betriebsrestaurants oder Reha-Zentren stellt sich die Lage hinsichtlich einer Gängewahl anders dar: Diese arbeiten sehr wohl erfolgreich mit Gängewahl bzw. mit Buffetsystemen, um Lebensmittelabfälle zu reduzieren. Eine mögliche Erklärung: Patient:innen in Krankenhäusern sind meist nur für einen kurzen Zeitraum von ein paar Tagen vor Ort und kennen das Speisenangebot nicht –  Mitarbeiter:innen in Betriebsrestaurants oder Rehazentren wiederum werden über längere Zeiträume verpflegt und können sich so bereits im Vorhinein ein besseres Bild über die Speisen machen und entsprechend ihrem Geschmack wählen, was Tellerreste reduziert.